Erinnerungsfiguren des kulturellen Gedächtnisses und die Methode der literarischen Ikonographie
Im Zentrum der hier vorgelegten Betrachtung von Umweltprosa stehen ‘Erinnerungsfiguren’ als Einlaßstellen für erinnerte Zusammenhänge. Der Begriff wurde aus dem von Jan und Aleida Assmann entwickelten Konzept des ‘kulturellen Gedächtnisses’ entlehnt, um ihn – da eine nähere Bestimmung durch Assmanns ausbleibt – exakter zu konturieren. Bevor ich näher auf die Erinnerungsfiguren und ihre Dynamik eingehe, möchte ich kurz einige für die literarische Ikonographie bedeutsame Aspekte der Diskussion um das kulturelle Gedächtnis erläutern.
Die Wurzeln einer Theorie des sozialen oder kollektiven Gedächtnisses reichen ca. 80 Jahre zurück. In den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts entwickelten der deutsche Kunst- bzw. Bildhistoriker1 Aby M. Warburg (1866-1929) und der französische Soziologe und Historiker Maurice Halbwachs (1877-1945) unabhängig voneinander Ideen zu einer Theorie des sozialen Gedächtnisses, die in Abgrenzung von biologistisch begründeten Konzepten vererbbarer ‘Archetypen’ nach kulturellen Strukturen der Überlieferung von erinnerungswertem Wissen fragt. Jan Assmann und Aleida Assmann haben diese Ansätze aufgegriffen und in den letzten Jahren für die Kulturwissenschaften weiterentwickelt.2 Während es Halbwachs primär um den Zusammenhang von Gedächtnis und Gruppen, also die “soziale Bedingtheit des Gedächtnisses”3 ging, suchte Warburg nach einer kulturellen Formensprache und interessierte sich in seinem Projekt Mnemosyne für das Bildgedächtnis des Abendlandes. Assmann und Assmann verknüpfen nun die beiden Pole der bild- und symbolhaften Erinnerung und der Gruppenidentität zu ihrer Theorie des kulturellen Gedächtnisses.4
Dabei bedingen sich Erinnerung und Gruppenidentität gegenseitig: Erst durch das Erzählen “gemeinsam bewohnter Geschichten”5 formiert sich eine Gruppe, andererseits entsteht Erinnerung
nur durch Kommunikation und Interaktion im Rahmen sozialer Gruppen. Wir erinnern nicht nur, was wir von anderen erfahren, sondern auch, (…) was uns von anderen als bedeutsam bestätigt und zurückgespiegelt wird. Vor allem erleben wir bereits im Hinblick auf andere, im Kontext sozial vorgegebener Rahmen der Bedeutsamkeit.6
Das soziale Gedächtnis stellt damit eine ‘konnektive Struktur’ dar, die die Individuen durch ein geteiltes Wertegefüge und geteilte Vergangenheit bzw. den gemeinsamen Assoziationsraum zu einer Gruppe verbindet.
Jede Kultur bildet etwas aus, das man ihre konnektive Struktur nennen könnte. Sie wirkt verknüpfend und verbindend, und zwar in zwei Dimensionen: der Sozialdimension und der Zeitdimension. Sie bindet den Menschen an den Mitmenschen dadurch, daß sie als ‘symbolische Sinnwelt’ (Berger / Luckmann) einen gemeinsamen Erfahrungs-, Erwartungs- und Handlungsraum bildet, der durch seine bindende und verbindliche Kraft Vertrauen und Orientierung stiftet. (…) Sie bindet aber auch das Gestern an das Heute, indem sie die prägenden Erfahrungen formt und gegenwärtig hält, indem sie in einen fortschreitenden Gegenwartshorizont Bilder und Geschichten einer anderen Zeit einschließt und dadurch Hoffnung und Erinnerung stiftet.7
Dadurch erhält Kultur einen besonderen Stellenwert: als Träger- und Speichermedium des Gruppengedächtnisses schafft, bewahrt und überliefert kulturelle Aktivität identitätssicherndes Wissen. In kulturellen Manifestationen werden die für eine bestimmte Gruppe bedeutsamen Erinnerungen aufbewahrt und aktualisiert.
Ebenso wie ein Individuum eine personale Identität nur kraft seines Gedächtnisses ausbilden und über die Folge der Tage und Jahre hinweg aufrechterhalten kann, so vermag auch eine Gruppe ihre Gruppenidentität nur durch Gedächtnis zu reproduzieren. Der Unterschied besteht darin, daß das Gruppengedächtnis keine neuronale Basis hat. An deren Stelle tritt die Kultur: ein Komplex identitätssichernden Wissens, der in Gestalt symbolischer Formen wie Mythen, Liedern, Tänzen, Sprichwörtern, Gesetzen, heiligen Texten, Bildern, Ornamenten, Malen, Wegen, ja – wie im Falle der Australier – ganzer Landschaften objektiviert ist. Das kulturelle Gedächtnis zirkuliert in den Formen der Erinnerung, die ursprünglich eine Sache der Feste und der rituellen Begehung sind.8
Erinnerungsfiguren – Einlaßstellen für gemeinsam bewohnte Geschichten
Dieses Wissen – die Inhalte der konnektiven Struktur – manifestiert sich bzw. kondensiert in “kulturell geformte, gesellschaftlich verbindliche ‘Erinnerungsbilder’”9 (Halbwachs), die Jan Assmann als bildhafte und konkrete ‘Erinnerungsfiguren’ bezeichnet: “So abstrakt es beim Denken zugehen mag, so konkret verfährt die Erinnerung. Ideen müssen versinnbildlicht werden, bevor sie als Gegenstände ins Gedächtnis Einlaß finden können.”10
Assmann beschreibt die Erinnerungsfiguren als “Fixpunkte in der Vergangenheit”, an denen Vergangenheit “zu symbolischen Figuren (…) gerinnt”, an welche sich wiederum “Erinnerung heftet”.11 In der Vergangenheit gebe es also bestimmte Fixpunkte, an denen sich Zusammenhänge – die ‘gemeinsam bewohnten Geschichten’ – in symbolischen Figuren verdichten. An diesen ist die Erinnerung an die Zusammenhänge gleichsam befestigt. Übernimmt man dieses Modell, ergibt sich folgende Perspektive:
Das kulturelle Gedächtnis12 besteht also aus zwei Komponenten: einerseits den Bildern – wobei Bild hier nicht ausschließlich visuell verstanden werden soll – und andererseits den in ersteren verdichteten, kondensierten, in sie eingefalteten ‘gemeinsam bewohnten’, für die jeweilige Gruppe bedeutsamen Geschichten. Die Bilder sind die Erinnerungsfiguren, durch deren Aktivierung die Geschichten – das Wissen um Zusammenhänge und Kontexte – evoziert, aufgerufen, auseinandergefaltet werden können.
Erinnerungsfiguren sind also jene symbolischen und bedeutsamen Bilder, in denen gemeinsam bewohnte Geschichten einer spezifischen Gruppe enthalten sind. In den abgespeicherten Bildern sind die narrativen Anteile, die Zusammenhänge und Kontexte gleichsam komprimiert. Assmann verweist in einer Fußnote auf Halbwachs’ Begriff der ‘Erinnerungsbilder’ und erklärt, daß er stattdessen den Begriff ‘Erinnerungsfiguren’ gewählt hat, da dieser sowohl ikonische als auch narrative Formung umgreift.13
Ich weite den Begriff der Erinnerungsfiguren dahingehend aus, daß er neben Bildern im engeren Sinne auch Schlagworte, Begriffe, Namen, ‘slogans’, Zitate, Geräusche, Lieder, Melodien, Gerüche, haptische Eindrücke, Geschmacks- und allgemeine Körperempfindungen, emotionale Zustände und Körperhaltungen umfassen kann. Alle diese Erinnerungsfiguren – Einlaßstellen für Erinnerungen – haben gemeinsam, daß sie auf erinnerte Geschichten und Zusammenhänge verweisen können. Wenn mehrere Erinnerungsfiguren sich auf denselben Zusammenhang beziehen, sind sie untereinander derart vernetzt, daß sie einander und dann gemeinsam den entsprechenden Kontext aktivieren (können).
Erinnerungsfiguren sind also, in Erweiterung des an antiken Mnemotechniken orientierten Konzeptes von Gedächtnisorten, an deren Anblick oder imaginierte Vergegenwärtigung Erinnerungsinhalte befestigt werden, alle Entitäten / Topoi, in denen sich Erinnerung verdichtet, an denen Erinnerung befestigt ist. Die Erinnerungsfiguren sind somit die Einlaßstellen der Erinnerung. Das Archiv des kulturellen oder kommunikativen Gedächtnisses14 besteht aus den erinnerten Zusammenhängen und den auf sie verweisenden, sie evozierenden / aktivierenden Erinnerungsfiguren. Letztere fungieren insofern als potentielle ‘Indikatoren’15 der Erinnerung.
Was von den Mitgliedern einer Gruppe geteilt wird, ist die Erinnerung an die Zusammenhänge, an die Geschichten. Die Erinnerungsfiguren als Zugänge zum Archiv können sowohl dem kulturellen als auch dem kommunikativen oder individuellen Gedächtnis angehören. Um Kommunikation überhaupt zu ermöglichen, ist jedoch die Existenz intersubjektiver Erinnerungsfiguren des kulturellen und kommunikativen Gedächtnisses unabdingbar, doch werden nicht alle Erinnerungsfiguren geteilt – das können sie aufgrund der jeweiligen Lernbiographie und Enkulturation auch gar nicht. Wichtig für die Ausbildung der Gruppenidentität ist, daß das Wissen um Zusammenhänge, die Kenntnis der Geschichten geteilt wird. Der Begriff ‘Auschwitz’ sowie das Bild des Tores mit der Inschrift ‘Arbeit macht frei’ als Erinnerungsfiguren sind bspw. recht fest und intersubjektiv mit der Erinnerung an den ‘Holocaust’ und seine Hintergründe verknüpft, gehören also zum Inventar des kollektiven bzw. sozialen Gedächtnisses. Doch kann derselbe Erinnerungszusammenhang theoretisch genauso gut durch ein Geräusch oder einen Geruch oder das Muster eines Stofftaschentuchs aufgerufen werden.
Die Zugehörigkeit der evozierten Geschichten und Kontexte zum kommunikativen oder kulturellen Gedächtnis ist unabhängig von dem jeweiligen Sinneskanal, den die Erinnerungsfigur im Rezipienten anspricht. Ausschlaggebend ist die Geschichte, nicht die Einlaßstelle der Erinnnerung. Als Beispiel wähle ich den Duft von Madeleines, der entweder individuelle oder kommunikative Erinnerung auslösen kann oder – über die Verbindung zu dem von Proust beschriebenen Duft der Madeleines – einen Verweis auf einen Kontext des kulturellen Gedächtnisses darstellen kann. Dennoch ist zu konstatieren, daß für das kulturelle Gedächtnis Bilder und Begriffe bzw. Kombinationen von Begriffen (Formeln, ‘geflügelte Worte’, Zitate, ‘slogans’) die häufigsten Gestaltungsformen der Erinnerungsfiguren sind.
Eine Erinnerungsfigur funktioniert, um einen Vergleich aus der Computer-Welt anzuführen, also wie ein ‘icon’, das ich einfach anklicken kann: sofort wird ein Programm aufgerufen. Genauso ‘knipsen’ die Erinnerungsfiguren die Zusammenhänge an: Sie verweisen auf sie und aktivieren sie dabei gleichzeitig.
Erinnerungsfiguren aus dem Kontext der Umweltgeschichte
Um die Genese und die Dynamik von Erinnerungsfiguren nachvollziehbar zu machen, stelle ich einige Beispiele aus dem Kontext der Umweltgeschichte dar, den ich im vorherigen Kapitel skizziert habe.
Die Genese von Erinnerungsfiguren in aktuellen Zusammenhängen läßt sich an der im vorigen Kapitel erwähnten Geschichte von Barbara Fruth, der bayrischen Schornsteinkletterin, veranschaulichen. Den Ausgangspunkt bildete ein reales Ereignis Anfang der achtziger Jahre in Hamburg: Eine in Höhlenklettertechnik erfahrene Studentin unterweist die anderen Greenpeacer in Seiltechniken und ‘erfindet’ die Strategie der ‘Flying divisions’. Zuerst einmal ist dies eine insider-Geschichte, die bemerkenswert war und unter Greenpeacern Aufsehen erregt hat. In dem Moment, wo Greenpeacer untereinander davon erzählen, könnte man bereits von einer auf die Kleingruppe bezogenen Erinnerungsfigur des kommunikativen Gedächtnisses sprechen. Als Erinnerungsfigur des kulturellen Gedächtnisses etabliert sich die bayrische Schornsteinkletterin in größerem Kontext in dem Moment, in dem sie in literarischen Texten verwendet wird, wie es 1986 in 427. Im Land der grünen Inseln und in einem Jugendbuch über die Geschichte von Robin Wood, Retten, was zu retten ist… sowie 1990 in dem Greenpeace-Jugendbuch Hinter dem Regenbogen geschah.
Ein weiteres Beispiel wäre ‘Laika’: Der sowjetischen Raumfahrt – dem Prestigeobjekt sowjetischer Technik zu Beginn des Kalten Krieges, als bemannte Raumfahrt noch ferne Zukunftsmusik darstellte -, die durch die gelungene erstmalige Erdumkreisung von Sputnik 1 am 4.10.1957 triumphierte, war mit dem Tod des Hundes Laika an Bord von Sputnik 2 am 2.11.1957 eine Panne passiert, die die Überlegenheit sowjetischer Technik, und durch die selbstinszenierte symbolische Besetzung der Raumfahrt möglicherweise die Überlegenheit der Sowjets überhaupt, in Frage stellen konnte. Die Geschichte war so bekannt, daß nicht nur der Name ‘Laika’, sondern offensichtlich schon die bloße öffentliche Abbildung irgendeines Hundes in der DDR als staatsfeindliche Aktivität angeprangert werden konnte, wie das im ersten Teil beschriebene Beispiel des tierschutzengagierten Pfarrers Siegfried Wend zeigte.
Etablierte Erinnerungsfiguren haben eine stärkere Symbolkraft, so daß es sich anbietet, ihren Resonanzraum für neue, noch nicht oder zumindest noch nicht fest etablierte Erinnerungsfiguren zu nutzen. Je älter und bedeutsamer die verwendeten Erinnerungsfiguren in einer jeweiligen Kultur oder Erinnerungsgemeinschaft sind, je häufiger sie Verwendung fanden, desto größer ist ihr Resonanzraum, um so mehr Erinnerung klingt mit, um so stärker ist ihre Symbolkraft. Werden neue Erinnerungsfiguren an ältere geknüpft oder werden etablierte Erinnerungsfiguren in einem veränderten neuen Kontext aktualisiert, wird der neue Resonanzraum mit dem alten verbunden. Dadurch wird der Klang beider Komponenten verändert: die neuen Anteile erhalten mehr Gewicht, sprechen mit lauterer Stimme, die alten erhalten eine andere Klangfarbe, neue Obertöne.
Plastisch wird das an einem Begriff wie ‘Waldsterben’: In den frühen achtziger Jahren wurde das Waldsterben assoziativ mit Vietnam, Dioxin und Krieg verknüpft, in der Literatur ab Mitte der Achtziger in den Kontext des Grimmschen Märchenwaldes gestellt – so bspw. bei Grass, Kunert und Wolf16 -, bis es Anfang der neunziger Jahre zu einem derart fest etablierten Topos wurde, daß Bernhard Kegel in seinem satirischen Roman Wenzels Pilz mit diesem Bild des toten (Märchen-)Waldes spielen kann, um vor den Gefahren der Gentechnologie zu warnen.
Doch auch in neueren Kontexten und hinsichtlich aktueller Erinnerungsfiguren läßt sich diese Dynamik der Erweiterung der Resonanzräume beobachten:
1978 veröffentlichten Egmont R. Koch und Fritz Vahrenholt Seveso ist überall. Die tödlichen Risiken der Chemie. Der Titel wurde zum Topos, die Verallgemeinerbarkeit zum Programm: Bücher wie Bergersdorf ist überall und Lornac ist überall spielen darauf genauso an wie bspw. Umweltgifte in unserer Nahrung und überall von Wolfgang Eichler. Gemeinsam ist diesen Büchern der Hinweis auf die Ubiquität von Umweltgefahren, der Appell, Umweltkatastrophen nicht als Einzelfälle, sondern als warnende Beispiele zu verstehen, als etwas, das jeden treffen kann.
In demselben Zusammenhang des Vertrauensverlusts der chemischen – hier der petrochemischen – Industrie bei der Bevölkerung geschieht die Einbindung einer Symbolfigur der frühen Umweltbewegung in einen anderen Kontext zur ökologischen Imagepflege eines Großkonzerns: Daß die Deutsche Shell 1998 den ehemaligen Hamburger Umweltsenator und Mitautor von Seveso ist überall Fritz Vahrenholt in ihren Vorstand holte, hing auch mit dem seit 1995 durch ‘Brent Spar’ und Ken Saro-Wiwa angeknacksten Öko-Image des Konzerns zusammen17. Neben der Unterstützung der Solarenergie durch den Bau eines Werkes in Gelsenkirchen suchte die Deutsche Shell ihren Imageverlust nun auch durch die Indienstnahme einer der früheren Schlüsselfiguren im Protest gegen umweltschädigende Praktiken industrieller Großkonzerne auszugleichen.
Ein Beispiel für die Verwendung tradierter Erinnerungsfiguren, hier aus der christlichen Symbolik, für aktuelle Kontexte bietet auch eine Greenpeace-Aktion zum Waldsterben Anfang der achtziger Jahre. Als die Greenpeacer im Dezember 1982 einen Weihnachtsbaumstand mit ‘kranken’ Tannenbäumen in den Fußgängerzonen aufbauten, um die Menschen auf das Waldsterben aufmerksam zu machen, knüpften sie nicht nur geschickt an das einzige Ereignis im Lauf des Jahres an, an welchem die Mehrzahl der Menschen in Deutschland sich für Nadelhölzer interessieren, sondern verwendeten den vielbesungenen Tannenbaum mit seinem Verweischarakter auf das Weihnachtsfest, um auf schwerwiegende Schäden der industrialisierten Gesellschaft der Gegenwart und der Politik der hohen Schornsteine hinzuweisen.
Im April 1999 wirbt Renault mit dem Slogan ‘Starten statt warten’, der offensichtlich den Resonanzraum des Greenpeace-Slogans ‘Taten statt warten’18 ausnutzen soll. Daß nicht nur die Automobilindustrie sondern gleichfalls die Energieversorger spätestens seit Beginn der neunziger Jahre bewußt mit Topoi der Umweltbewegung werben, ist bekannt – daß erstere sich dabei derart deutlich an eine Umweltorganisation anlehnt, scheint mir beachtlich.
Als konkreter Verweis auf einen regionalen Sagenstoff der sorbischen Lausitz, deren Landschaft stark durch den Braunkohletagebau gelitten hat, kann die Benennung eines Windrades auf der Abraumhalde Bärenbrück gelten. Die dortige Windkraftanlage trägt den Namen ‘Krabat’, was durch die für die ökologische Diskussion in der DDR wichtigen Krabat-Romane von Jurij Brzan noch eine weitere Verknüpfungsdimension bekommt. So steht die Erinnerungsfigur Krabat neben ihrer Symbolkraft als sorbischer Sagenfigur dort gleichzeitig sowohl für den Widerstand gegen ökologische Schäden als auch für die Perspektiven regenerativer Energiequellen anstelle der Nutzung fossiler Brennstoffe.
Wie bereits erwähnt, sind die einzelnen Erinnerungsfiguren z.T. auch untereinander verbunden, was die in sie gleichsam eingefalteten Erzählungen umso besser verankert. Das Stichwort ‘Greenpeace’ bspw. ruft Bilder wie das Logo, den Regenbogen, Männer in Schlauchbooten zwischen Walfänger und Wal, Schriftbänder an Industrieschornsteinen, grünbesprühte Robbenbabys im ewigen Eis etc. ab. Das am festesten verankerte Bild zum Stichwort Greenpeace schient jedoch das Schlauchboot zu sein.
Die meisten Menschen verbinden mit Greenpeace spontan vor allem ein Bild: das Schlauchboot – in Aktion, vor einem großen, übermächtig scheinenden Schiff. Nachrichtensendungen blenden ein Schlauchboot im Hintergrund ein, während der Sprecher eine Meldung verliest, in der es um eine Greenpeace-Aktion vor einem Atomkraftwerk mitten im Land geht; Zeitschriften illustrieren Berichte über Greenpeace bevorzugt mit Fotos von Aktionen auf dem Wasser; die Organisation selbst präsentiert in ihren Publikationen immer wieder das Schlauchboot. Das Schlauchboot ist das Urbild der Greenpeace-Strategie.19
Hinsichtlich der Erinnerung verschwimmt der Unterschied zwischen Faktizität und Fiktion: die Bedeutsamkeit der jeweiligen Erinnerung, die Tatsache, daß etwas erinnert wird und nicht im Ozean des Vergessens abhanden kommt, weist ihr Bedeutung zu, die die Frage nach der Faktizität obsolet werden läßt. Jan Assmann bemerkt dazu:
Auch Mythen sind Erinnerungsfiguren: Der Unterschied zwischen Mythos und Geschichte wird hier hinfällig. Für das kulturelle Gedächtnis zählt nicht faktische, sondern nur erinnerte Geschichte.20
Aus dieser Sicht können auch historische Ereignisse als Mythen angesehen werden, insofern sie mythomorph fungieren: “Vergangenheit, die zur fundierenden Geschichte verfestigt und verinnerlicht wird, ist Mythos, völlig unabhängig davon, ob sie fiktiv oder faktisch ist.”21 Interessanter als die Frage danach, wie es denn wirklich gewesen ist, ist die Frage, wie ein Ereignis sinnstiftend erinnert wird.
Herfried Münkler beschreibt diese Dynamik anhand des französischen ‘Gründungsmythos’ des Bastillesturms, indem er die historische Tatsache der Erstürmung eines Stadtgefängnisses einerseits mit dem Ziel der Erbeutung von Schießpulver, andererseits mit der integrierenden Symbolkraft des erinnerten Bildes kontrastiert. An diesem Beispiel zeigt er, wie aus einem historischen Ereignis ein ‘Gründungsmythos’ wurde, da die ‘objektiven Tatsachen’ kaum geeignet waren, Gruppenidentität zu fundieren.
Der Bastillesturm, ja die gesamte Revolution hat für das politische Selbstverständnis der Franzosen heute integrative Funktion. Was aber die Franzosen verbindet, ist nicht das historische Ereignis, sondern ein politischer Mythos: das Ereignis selbst, die Erstürmung eines fast leeren, von einer Handvoll Invaliden verteidigten Stadtgefängnisses durch eine aufgebrachte Menge und die an die Kapitulation anschließende Massakrierung mehrerer Offiziere und Soldaten wäre schwerlich geeignet, als politisch integrierendes Symbol zu fungieren. (…) Der Sturm auf die Bastille übernimmt die Funktion eines Gründungsmythos, der die neue Gesellschaft gegen die alte sinnfällig abgrenzt und einen politischen Neuanfang symbolisiert. (…) Was aber würde im Sinne eines vermeintlichen Gegensatzes von Aufklärung und Mythos tatsächlich aufgeklärt, wenn geltend gemacht würde, daß in der Bastille nur wenige Häftlinge und schon gar keine politischen Gefangenen saßen und es bei der Eroberung weniger um die Befreiung von Gefangenen als die Erbeutung von Schießpulver ging?22
Parallel läßt sich im Kontext der Umweltbewegung die Dynamik der Erinnerungsfiguren beobachten. Ich habe oben das Beispiel der bayrischen Schornsteinkletterin bei Greenpeace, Barbara Fruth, erwähnt. Sie wurde durch ihre Außergewöhnlichkeit zu einer Erinnerungsfigur, die dann literarisch verarbeitet wurde, nicht weil sie unter den ersten gewesen wäre, die für Greenpeace Deutschland auf einen Schornstein geklettert sind: das waren Harald Zindler und Peter Krichel, die Ende Juni 1981 bei der Auftaktaktion zur Chemie-Kampagne sechsundzwanzig Stunden lang den Schlot des Hamburger Boehringer-Werkes besetzten.
Erinnerungsfiguren – historische, mythische oder künstlerisch gestaltete Bezugspunkte
Die Frage, welchen Ursprungs eine Erinnerungsfigur ist, wird angesichts ihrer Bedeutsamkeit unerheblich. So stehen also historische wie mythische Erinnerungsfiguren gleichberechtigt nebeneinander, wenn man sie von ihrer Funktionsweise als gemeinsame Bezugspunkte geteilter Erinnerung her betrachtet.
Als dritte Gruppe neben Erinnerungsfiguren aus historischen und mythischen Zusammenhängen möchte ich, wie aus den oben genannten Beispielen deutlich geworden ist, literarisch oder allgemein künstlerisch gestaltete Erinnerungsfiguren, also fiktionale Bezugspunkte des Gedächtnisses, in die Betrachtung miteinbeziehen, da sie als Bezugspunkte in der heutigen Welt eine genauso große, wenn nicht größere Rolle spielen als historische oder mythische23.
Zur Übersicht, aus welchen Bereichen Erinnerungsfiguren des kulturellen und kommunikativen Gedächtnisses stammen können, möchte ich ein paar Beispiele für begrifflichen Erinnerungsfiguren anführen. Hinsichtlich ihrer Funktion als Erinnerungsfiguren wird die Frage nach der Faktizität oder Fiktionalität wie gesagt obsolet, als Erinnerungsfiguren, in die bedeutsame Geschichten eingefaltet sind, sind sie als völlig gleichrangig zu betrachten.
Beispiele für (begriffliche) Erinnerungsfiguren |
historisch |
mythisch |
literarisch-künstlerisch |
Vorgang / Ereignis |
Sturm auf die Bastille |
Raub des Feuers durch Prometheus |
Werthers Selbstmord |
Person / Gestalt |
Napoleon |
Helena |
Pippi Langstrumpf |
Ort / Raum |
Auschwitz |
Atlantis |
Arkadien |
Gegenstand |
Pergamonaltar |
Büchse der Pandora |
Blechtrommel |
Im Prozeß des Erinnerns bilden diese Erinnerungsfiguren Kristallisationspunkte, an denen sich Memoria verdichtet und anlagern kann; wichtiger als ihre Faktizität ist ihre Bedeutsamkeit. Als Inseln im Ozean des Vergessens (oder Inseln der Bedeutsamkeit im Ozean der Informationsflut), machen sie das Meer der Geschichte(n) in ihrer Eigenschaft als Orientierungspunkte schiffbar.
Wie bereits angekündigt, möchte ich in einem kurzen Exkurs über die Funktionsweise des Gehirns und des Erinnerns Bezüge zu dem von mir vorgestellten Konzept der Erinnerungsfiguren herstellen. Damit sei keinesfalls eine essentialistische Sichtweise der Dynamik der Erinnerungsfiguren unterstellt; die Funktionsweise des assoziativen Gedächtnisspeichers diente in der Genese der literarischen Ikonographie als heuristische Metapher, vor deren Hintergrund und in Analogie zu dieser die Methode zu verstehen ist.
Ein Gehirn besteht aus Neuronen, die auf komplexe Weise miteinander ‘verschaltet’ sind. Der Zellkörper besitzt verschiedene Verzweigungen, einerseits das Axon, das Signale sendet, und andererseits die Dendriten, die Signale empfangen. An der Zellmembran besteht zwischen innen und außen ein Ladungsunterschied von ungefähr 70 Millivolt (Ruhepotential), der sich unter bestimmten Umständen ändern kann. Diese Veränderungen des Membranpotentials ‘nutzen’ die Neuronen zur Informationsverarbeitung und -übertragung.24 Über die Synapsen25, also die Kontaktstellen zwischen den verschiedenen Neuronen, werden eingehende Signale auf das Neuron übertragen. Ein Neuron ‘feuert’, also produziert ein Aktionspotential, wenn ein bestimmter Schwellenwert der Erregung überschritten wird.
Die Gehirnrinde enthält grob geschätzt etwa zehn Milliarden Nervenzellen mit (…) ziemlich einfachen Eingangs-Ausgangs-Beziehungen: Jedes Neuron empfängt über eine in der Regel fünfstellige Zahl von Eingängen Signale von anderen Nervenzellen, verarbeitet sie und gibt selbst über einen Ausgang nur ein einziges Signal ab. Dieses wird seinerseits über mehrere zehntausend Synapsen (…) an etwa ebensoviele Nervenzellen weitergeleitet.26
Die Gewichtungen der Synapsen (also quasi die ‘Bedeutsamkeit’, die den einzelnen Signalen zugesprochen wird) sind variabel. Sind zwei miteinander verbundene Neuronen gleichzeitig aktiv, werden ihre Verbindungen verstärkt (Hebbsches Lernen), was man sich metaphorisch als ‘Trampelpfad’ vorstellen kann: Je häufiger er benutzt wird, desto ausgeprägter wird er, was wiederum zu noch häufigerer Benutzung einlädt. So werden bestimmte Neuronen stark miteinander verknüpft, so daß die Aktivierung eines von ihnen zur Mitaktivierung des/der anderen beitragen kann. Nach Ansicht von Alkon können die synaptischen Verbindungen zwischen zwei Neuronen auch dann bereits gestärkt werden, wenn sie zeitnah durch einlaufende Signale erregt werden, ohne daß sie selbst ein Signal weitergeben.27
Da die Repräsentationen als bestimmtes Muster neuronaler Erregung anhand der Synapsengewichtungen in Neuronenverbänden (sogenannten Assemblies) ‘abgespeichert’ sind, kann durch die Teilaktivierung eines solchen Verbands das gesamte Muster ‘angeschaltet’ werden.
Solche Assemblies haben nun von sich aus die Fähigkeit, selbsttätig und automatisch die zugehörigen Muster zu vervollständigen. Wird nämlich ein genügend großer Teil einer Assembly aktiviert, so erfaßt die Erregung über das eingefahrene Netz von Verbindungen auch die anderen beteiligten Neurone: Die Assembly ‘zündet’.28
Der Prozeß des Erinnerns läßt sich in diesem Kontext gleichfalls als Mustervervollständigung beschreiben:
Wenn wir uns an etwas zu erinnern suchen, möchten wir in der Regel aus ein paar bruchstückhaften Hinweisen den vollständigen Sachverhalt rekonstruieren. Dies ist der klassische Fall einer Mustervervollständigung. Sie geschieht (…) ganz von selbst durch die Aktivierung weiterer Neurone über die Hebbschen Synapsen innerhalb der betreffenden Assembly: Die neuronale Gesamterregung stabilisiert sich in dem Muster, das der Erinnerung entspricht, die am besten zu den vorgegebenen Bruchstücken paßt.29
Desweiteren sind offensichtlich – vermutlich auf einer höheren Verarbeitungsstufe – Sinnesdaten verschiedenster Wahrnehmungskanäle miteinander verknüpft, so daß die Aktivierung eines bestimmten Sinneseindrucks damit zusammenhängende Aspekte per Mustervervollständigung aufruft.
Ein hervorstechendes Merkmal des menschlichen Gedächtnisses besteht darin, daß nahezu jeder beliebige Aspekt eines vergangenen Ereignisses zur Erinnerung an das Ereignis führen kann. Man kann durch den Geruch des Meeres, durch eine Melodie, eine Stimme oder den Geschmack einer Frucht an einen Sommerabend erinnert werden. Das gleiche gilt für den Abruf von Fakten und Wissensbeständen.30
Für diese Verknüpfung verschiedenster Sinneseindrücke miteinander sowie für die Einbeziehung emotionaler Färbung und deren gegenseitige Abrufbarkeit (intermodales Recall) schreiben Forscher der Amygdala, einer Struktur des limbischen Systems, eine Schlüsselrolle zu.31 Je mehr Sinne inclusive emotionaler Beteiligung zu einem Gedächtnisinhalt beigetragen haben, umso stärker ist er verankert, umso schneller ist er abrufbar. Mnemotechniken von der Antike bis heute arbeiten unter Ausnutzung dieses Prinzips, indem sie Inhalte z.B. an Bilder oder konkrete Vorstellungen von Sinneseindrücken und insbesondere räumliche Positionierung ‘anheften’.
Wenn ich oben bezüglich der Erinnerungsfiguren geschrieben habe, in diesen seien die bedeutsamen, gemeinsam bewohnten Geschichten eingefaltet oder komprimiert, so ist dies natürlich eine Metapher. Die Dynamik jedoch wird auf der Basis der vorgestellten Thesen über die Funktionsweise des assoziativen Gedächtnisspeichers, wie sie anhand der Simulation in neuronalen Netze unterdessen vielfach Bestätigung gefunden hat, nachvollziehbar: Im Zuge der Mustervervollständigung wird ein Sinnesdatum als bekannte Erinnerungsfigur erkannt, und die entsprechende Assembly aktiviert ggf. nicht nur assoziierte Erinnerungsfiguren anderer Sinneskanäle, sondern auch auf einer komplexeren Verarbeitungsstufe (Zwischenschicht) das Wissen um die Zusammenhänge – die Geschichte.
Inspiriert wurde mein hier vorgestelltes Konzept einer literarischen Ikonographie durch den Band Schlagbilder des Kunsthistorikers Michael Diers, in welchem er ‘öffentliche Bilder’ als Medien der “Wahrnehmung und Erfahrung gesellschaftlicher Wirklichkeit” und Repräsentanten politischer Kommunikation32 hinsichtlich ihrer Bildgeschichte und Bildstrategie interpretiert. Die Metapher der ‘in unser Hirn gebrannten’ Schlagbilder, so schreibt Diers,
könnte (…) auf den Umstand verweisen, daß Bilder sich auf Vor-Bilder, auf Vorstellungs-Bilder als auf ein ‘Prägewerk’ (Warburg) beziehen lassen, von denen ein Teil im Fundus der Kunstgeschichte, ein anderer Teil in der als ‘kollektiv’ apostrophierten Erinnerung aufbewahrt wird.33
Sein Verfahren der politischen Ikonographie auf die in der Literatur enthaltenen ‘Bilder des kulturellen Gedächtnisses’, also die literarische Texte strukturierenden Erinnerungsfiguren anzuwenden, ist das Ziel der Entwicklung der literarischen Ikonographie.
Auf der Ebene literarischer Texte können Erinnerungsfiguren als Zitate oder Anspielungen auf mythische, historische oder literarisch-künstlerische Gestalten, Orte, Gegenstände oder Ereignisse auftreten, die als Einlaßstellen der Erinnerung auf bestimmte Zusammenhänge resp. gemeinsam bewohnte Geschichten verweisen.
In ihrem Buch Bilder des kulturellen Gedächtnisses hat die Literaturwissenschaftlerin Sigrid Weigel den Blick auf “andere Schreibweisen der Erinnerung” gerichtet, die “eine Reflexion der Erinnerungstätigkeit selbst” als “Thematisierung der Bilder und Mythen, (…) der Figuren und Szenarien, in denen die Erfahrung sich niederschlägt und Gestalt gewinnt”, vornehmen. Dadurch rücken “die Strukturen, die (…) der individuellen Erinnerungsarbeit (…) vorausgesetzt sind und in sie eingehen”, sowie die “Erinnerungsbilder, die durch sie aktualisiert und umgeschrieben werden”, in den Mittelpunkt.34
Weigels Ansatz stimmt auf dieser Beschreibungsebene weitgehend mit dem von mir entwickelten Herangehen an literarische Texte unter der Perspektive der Erinnerungsfiguren – den ‘Bildern’ des kulturellen Gedächtnisses – überein, auch wenn ihre Umsetzungen der Programmatik sich aufgrund divergierender Akzentuierungen von meiner unterscheidet. Die allgemeine Stoßrichtung, das Interesse, das den Blick auf die Literatur leitet, scheint mir jedoch durchaus vergleichbar und somit heranziehbar zu sein. So konstatiert sie, daß
in dem Maße, wie politische bzw. ideologische Gewißheiten und Utopien schwinden, (…) in der Gegenwartsliteratur die Lektüre von Bildern und Überlieferungen (…) immer mehr an Bedeutung (gewinnt).35
Sie spricht von einem “Archiv der Vorstellungen und Szenarien (…), in denen das Gewesene wie das Jüngstvergangene im kulturellen Gedächtnis dargestellt ist”36, und akzentuiert dabei die Kontextsensitivität dieser ‘Bilder’, Vorstellungen und Szenarien:
Die Bilder aus diesem Archiv bilden dabei aber beileibe kein feststehendes Repertoire von Bedeutungen, sie werden vielmehr im (…) Akt der Erinnerung höchst unterschiedlich belichtet und aktualisiert (…).37
Wenn davon die Rede ist, daß die “Bilder aus diesem Archiv”, die Erinnerungsfiguren, im “Akt der Erinnerung” verschieden aktualisiert werden, bedeutet dies, daß die eingefalteten Geschichten durch den veränderten Kontext immer wieder neu erzählt werden. Die Erinnerungsfiguren werden in einen neuen Kontext gestellt – das ist mit der Formel der Aktualisierung der Erinnerungsfiguren gemeint – und dadurch verändern sich die in ihnen verdichteten, an sie geknüpften, in sie eingefalteten gemeinsam bewohnten Geschichten. In dieser Veränderung bleiben die älteren Lesarten immer noch sichtbar, schimmern die alten ‘Bilder’ gleichsam durch die Neuakzentuierung hindurch. Das ist für die identitätsstiftende und -sichernde Funktion der Erinnerungsfiguren unabdingbar: werden die alten Bilder völlig überdeckt, können sie ihre Integrationskraft verlieren.
Ein Blick auf die Vergangenheit ist immer ein heutiger Blick, dem aus seinem Kontext heraus bestimmte Entitäten bedeutsamer sind als andere. Insofern ist die Erinnerung lt. Assmann immer von den Rahmenbedingungen der Gegenwart her, aus der heraus erinnert wird, geformt:
Wenn ein Mensch – und eine Gesellschaft – nur das zu erinnern imstande ist, was als Vergangenheit innerhalb der Bezugsrahmen einer jeweiligen Gegenwart rekonstruierbar ist, dann wird genau das vergessen, was in einer solchen Gegenwart keinen Bezugsrahmen mehr hat.38
Damit ist deutlich, inwiefern im Prozeß des Erinnerns Selektion stattfindet, geprägt nicht nur von der Sichtweise, sondern auch den Bedürfnissen einer jeweiligen Gegenwart. Assmann bezeichnet diesen Aspekt der Erinnerungsfiguren als ‘Rekonstruktivität’.39
Die jeweiligen Aktualisierungen der Erinnerungsfiguren zu durchleuchten, sprich: die vorhandenen Erinnerungsfiguren in den Texten aufzusuchen und in ihrer spezifischen Neu-Akzentuierung, der Neu-Erzählung der mit ihnen verbundenen Geschichten und Zusammenhänge, die sich aus dem Wechselspiel ihrer Tradition mit dem gegenwärtigen Kontext heraus ergibt, zu betrachten, ist Aufgabe und Ziel der literarischen Ikonographie. In diesem Sinne fragt sie danach, wie Texte durch die in ihnen enthaltenen Erinnerungsfiguren strukturiert sind. Texte werden damit zu Bilderbögen, zu ‘Fotoalben’, die im Kontext der jeweiligen Tradition entzifferbar sind und dadurch auch wieder einen neuen Kontext der konkreten Aktualisierung bilden.
Am Beispiel von Wulf Kirstens Gedicht Schiefergebirge illustriert Axel Goodbody das Stilmittel der Kontrastierung von Klassikerzitaten mit der rezenten Umweltsituation. Das Gedicht, schreibt er,
ends with an ironic reference to Goethe’s classic formulation of harmony between individual and nature (inscribed according to legend on the wall of a hut hear (sic!, gemeint ist: near, S.J.) Ilmenau in 1770): ‘Über allen/ Wipfeln…’. Such critical juxtaposition of reality with allusion to Classic/ Romantic literature is typical of Kirsten’s writing.40
Diese Art des Rückgriffs auf Klassikerzitate als Erinnerungsfiguren und deren Aktualisierung ist m.E. nicht nur für Wulf Kirstens Gedichte typisch, sondern kann als strukturgebend für einen großen Teil der Gegenwartsliteratur gelten. Deshalb scheint mir literarische Ikonographie unabhängig vom jeweiligen Untersuchungsgegenstand insbesondere für Analysen der Gegenwartsliteratur eine ergiebige Herangehensweise zu sein.
Doch ist der Blick auf die Erinnerungsfiguren auch außerliterarisch von Interesse, da sie als Elemente des kulturellen Gedächtnisses in jedem beliebigen Text oder Kontext situiert sind. Erst die gegenseitigen Verweisungszusammenhänge literarischer wie nichtliterarischer Bildräume machen dieses Verfahren so ergiebig, insbesondere, wenn es um realitätsbezogene Textsorten wie die Umweltliteratur als Beispiel für politische Literatur geht.
Zur Illustration sei an das von Goodbody zitierte Verfahren der Kontrastierung des Goethe-Gedichts mit Bildern des Waldsterbens angeknüpft. Wie Goodbody im weiteren darstellt, zierte dieselbe Kombination ein Plakat, mit dem der ‘Friedens- und Umweltkreis’ Berlin-Lichtenberg 1983 zu einem Diavortrag über das Waldsterben eingeladen hatte, welches das Gedicht unter der Überschrift ‘Waldsterben im Erzgebirge’ zusammen mit toten Bäumen abbildete. Wie empfindlich die Staatssicherheit auf solche Bilder reagierte, wurde bereits an dem Beispiel der Verhaftung der Studenten, die in kirchlichen Räumen sterbende Bäume ausgestellt hatten, dargestellt. Goodbody bemerkt dazu:
The concept of ‘Waldsterben’ was officially rejected, as indeed was that of ‘Smog’. Dead trees served nonetheless as all the more powerful a visual image for what was rotten in the state.41
Der Tatsachenzusammenhang der Waldschäden auf DDR-Territorium und der offiziellen Politik eines ‘Es kann nicht sein, was nicht sein darf’, die jedes Umlenken auf einen umweltverträglicheren Kurs der DDR-Industrie verhinderte, verdichtete sich gleichermaßen im Begriff des Waldsterbens wie im Bild eines toten Baumes, so daß diese alleine schon staatsfeindliches Potential zu enthalten schienen. Diese Wirkung entfaltet er als Allusion auf die zugrundeliegenden Zusammenhänge.
Die Erinnerungsfiguren bieten aufgrund ihres Eingebundenseins in das kulturelle Gedächtnis die Möglichkeit einer unterschiedlichen Akzentuierung der literarischen Ikonographie: Der Blick kann sich einmal auf die jeweiligen Bilder selbst und ihren Entstehungs- und Rezeptionskontext richten, also Tradition und die jeweilige Aktualisierung betrachten. In der konkreten Auswahl der verwendeten Erinnerungsfiguren läßt sich andererseits Gruppenzugehörigkeit bestimmen. Daneben kann als letzter Aspekt die identitätssichernde Funktion der geteilten Erinnerungen in den Mittelpunkt rücken und das Funktionieren der Bezüge für eine individuelle oder kollektive Identitätssicherung untersucht werden.
In ihrer Eigenschaft als Bruchstücke, die auf die assoziierten gemeinsam bewohnten Geschichten verweisen und sie dadurch aktivieren, sind Erinnerungsfiguren gleichsam als Symbole zu betrachten, wenn man sich ihnen über die ursprüngliche Bedeutung des ‘Symbolon’, der ‘Erinnerungsscherbe’ oder ‘tessera hospitalis’ nähert. Gadamer beschreibt dieses ‘antike Paßwesen’42 folgendermaßen:
Was heißt Symbol? Es ist zunächst ein technisches Wort der griechischen Sprache und meint die Erinnerungsscherbe. Ein Gastfreund gibt seinem Gast die sogenannte ‘tessera hospitalis’, d.h., er bricht eine Scherbe durch, behält die eine Hälfte selber und gibt die andere Hälfte dem Gastfreund, damit, wenn in dreißig oder fünfzig Jahren ein Nachkomme dieses Gastfreundes einmal wieder ins Haus kommt, man einander am Zusammenfügen der Scherben zu einem Ganzen erkennt. Antikes Paßwesen: das ist der ursprüngliche technische Sinn von Symbol. Es ist etwas, woran man jemanden als Altbekannten erkennt.43
Im Kontext der gruppenkonstituierenden Qualität des kulturellen oder kommunikativen Gedächtnisses gewinnt diese Deutung noch eine weitere Facette: am Gebrauch der symbolisch besetzten Begriffe sowie am Vollzug symbolischen Handelns ist die Frage der Gruppenzugehörigkeit ablesbar.
Auch innerhalb literarischer Texte gibt es Beispiele für die Funtionalisierung von Erinnerungsfiguren als Identitätsnachweis: In dem Roman 427. Im Land der grünen Inseln, dem deutschen Ökotopia, sucht die Protagonistin Aina Öztürk-Bruck ihre Jugendfreundin Rita auf, von der sie zuerst nicht wiedererkannt wird, da Aina sich einer “genetisch regulierte(n) Fettzellensteuerung”44 unterzogen hatte. Erst als Aina sich durch die Zitierung des Beginns eines Kinderreims ‘ausweist’, weiß Rita, daß sie wirklich Aina vor sich hat und ergänzt den Reim.
Aina wurde der Grund der Irritation klar. Sie markierte mit beiden / Händen mehr als doppelte Hüftbreite und ließ die imaginär aufgeblähte Gestalt mit lautem Zischen auf ihr jetziges Realmaß zusammenfallen. ‘Uiiiii!’ Rita kiekste voller Wollust: ‘Ich hinke durchs Feuer, das Brot ist zu teuer…’ ‘… ich hinke durchs Meer, das Herz ist mir schwer’, ergänzte Aina.45
Die literarische Ikonographie ist so gesehen vielmehr eine Methode zur Beschreibung kultur- und mentalitätsgeschichtlicher Zusammenhänge als lediglich eine der Textinterpretation. Sie bietet die Möglichkeit zur Darstellung des ‘Bild’archivs des kulturellen Gedächtnisses einer bestimmten Gruppe in einem spezifischen Zeitraum und der Funktionsweise und Instrumentalisierung der Erinnerungsfiguren in literarischen Texten. Dabei interessiert vor allem, welche Ereignisse und Zusammenhänge durch die im Text aufscheinenden oder durchscheinenden Einlaßstellen der Erinnerung aktiviert werden und was mit ihnen durch diese Rekontextualisierung geschieht, welche Bildräume dadurch eröffnet, welche Resonanzräume angestoßen werden, inwiefern die Erinnerungsfiguren den Text strukturieren, wie die Art und Weise der Verweisungsbezüge zu kennzeichnen ist und ob die Erinnerungsfiguren von der Umweltkrise unbeschädigt bleiben.
Über Verfahren der Intertextualität geht diese Methode insofern hinaus, als sie zusätzlich zu Verweisungsbezügen auf andere bedeutungstragende Äußerungen das soziale Gedächtnis einer spezifischen Gruppe oder Teilgruppe, Kultur und Teil-/Subkultur in den Blick bekommt. Durch die Konzentration auf die Erinnerungsfiguren als Einlaßstellen der Erinnerung (des Erzählers wie auch des Lesers) rückt weiterhin deren Bildhaftigkeit, ihre symbolische Verdichtung bedeutsamer Zusammenhänge in den Mittelpunkt. Auf dieser Ebene sind über Ähnlichkeitsverhältnisse und verwandte Resonanzräume assoziative und allusive Verweisungsbezüge konkret zu untersuchen und für die Textanalyse nutzbar zu machen.
Die Frage nach der Aktualisierungen von Erinnerungsfiguren ist nicht nur auf Literatur beschränkt, sondern ein Phänomen des kulturellen Gedächtnisses überhaupt, wie ich es oben an der Metapher der Resonanzräume tradierter Erinnerungsfiguren illustriert habe. Durch die Verknüpfung der Resonanzräume erhalten die neueren Komponenten größeres Gewicht, die tradierten erhalten neue Klangfarben und Obertöne, neue Lesarten. Literarische Ikonographie beinhaltet somit nicht nur den Blick auf die Erinnerungsfiguren, die den Text strukturieren, sondern auch auf den Kontext, in den sie gestellt werden, sowie die Veränderung, die sie durch diese Neusituierung erfahren, und die Zusammenhänge, auf die sie verweisen. Im vorliegenden Fall ist das der im vorherigen Kapitel skizzierte Kontext der Umweltgeschichte und der Umweltbewegung.
Das kulturelle Gedächtnis stellt das Archiv der gemeinsamen Erinnerungen einer jeweiligen Gruppe dar. Die ‘gemeinsam bewohnten Geschichten’ sind in Erinnerungsfiguren komprimiert, die überwiegend visuell oder begrifflich memoriert werden. Die Erinnerungsfiguren verweisen auf die narrativen Bezüge und aktivieren sie dadurch. Aus der Perspektive des Erinnerns ist die Bedeutsamkeit der Erinnerungsfiguren aus Mythos, Geschichte oder Kunst für die Bezugsgruppe entscheidend. Die Erinnerung verfährt rekonstruktiv, insofern die Bezugsrahmen der Gegenwart den Inhalt der Erinnerung mitgestalten. Tradierte Erinnerungsfiguren besitzen gleichsam einen größeren Resonanzraum, je älter/besser verankert sie sind. Dieser verknüpft sich mit dem der neueren Erinnerungsfiguren als Klangkörpern zu einem veränderten Resonanzraum.
Der Mechanismus der Mustervervollständigung des Erinnerns, die Aktivierung bestimmter Zellverbände durch die Erregung eines Teils der zugehörigen Neuronen liefert eine neurophysiologisch fundierte Analogie des Konzepts der Erinnerungsfiguren als ‘anklickbaren icons’ für die Zusammenhänge, die sie aktivieren.
Auch literarische Texte sind, wie alle Manifestationen kulturellen Handelns, durch den Bezug auf bestimmte Erinnerungsfiguren strukturiert. Deren Geschichte und den von ihnen evozierten Geschichten nachzugehen, ist Aufgabe der von mir entwickelten literarischen Ikonographie. Sie fragt nach den historischen und gegenwärtigen Kontexten der jeweiligen Aktualisierung einer Erinnerungsfigur, ihrer Anbindung an eine konkrete Gruppe und ihre identitätssichernde Funktion.
In den folgenden Kapiteln werde ich die drei Texte Moos, Störfall und Klint als repräsentative Texte der erzählenden Umweltliteratur aus der Perspektive der Erinnerungsfiguren untersuchen. Dabei bestimmt zuerst die Frage nach der jeweiligen Auswahl von Erinnerungsfiguren die Herangehensweise an den Text. Aufgrund des Vorliegens konkreter Erinnerungsfiguren wird der Text thematisch strukturiert, um dann in einem zweiten Schritt der Frage nachzugehen, welche ‘Bild’räume diese Erinnerungsfiguren in Resonanz versetzen. Dazu gehört die Nachzeichnung der geteilten Geschichten, auf die sie verweisen, sowie der historischen und assoziativen wie allusiven Kontexte. Der Blick auf die jeweilige Aktualisierung der vorhandenen Erinnerungsfiguren und die damit verbundenen Neuerzählungen der Geschichten rundet das Instrumentarium für eine Lektüre im Sinne der literarischen Ikonographie ab.
1 Warburg notierte am 12.2.1917 über ein Gespräch in seinem Tagebuch: “(…) sagte ich zu ihm: ich sei Bildhistoriker, kein Kunsthistoriker”, zit. nach Diers, Michael: Schlagbilder. Zur politischen Ikonographie der Gegenwart, Frankfurt/M. 1997, S. 25
2 Vgl. Assmann, Jan: Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: Kultur und Gedächtnis, hrsg. v. Jan Assmann und Tonio Hölscher, Frankfurt/M. 1988, S. 9-19; siehe zuletzt: ders.: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1997
4 Vgl. Assmann, Kollektives Gedächtnis, a.a.O., S. 12f. Das kulturelle Gedächtnis bildet gemeinsam mit dem kommunikativen das soziale oder kollektive Gedächtnis.
12 Hier ist das kulturelle Gedächtnis als Funktionsgedächtnis, nicht als Speichergedächtnis i.S. des Gesamtarchivs kollektiver Erinnerungsfiguren, verstanden: als gestaltete, sinnhaft bewohnte Lebensgeschichte einer Erinnerungsgemeinschaft. (Vgl: Assmann, Aleida; Assmann, Jan: Das Gestern im Heute. Medien und soziales Gedächtnis, in: Medien und Kommunikation. Konstruktion von Wirklichkeit, Studienbrief 5, hrsg. v. Deutschen Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen, Tübingen 1990, S. 41-82.)
14 Assmann unterscheidet zwischen dem kulturellen und dem kommunikativen Gedächtnis, die gemeinsam das kollektive oder soziale Gedächtnis einer Kultur darstellen. Im Gegensatz zum kulturellen ist das kommunikative Gedächtnis nicht mediengestützt, informell, wenig geformt und naturwüchsig. Seine Trägergruppe bilden anstelle von Spezialisten die Zeitzeugen einer Erinnerungsgemeinschaft. (Vgl. Assmann, Das kulturelle Gedächtnis, a.a.O., S. 52ff.)
15 Hier habe ich mich für den Begriff ‘Indikator’ entschieden, der im Gegensatz zum ‘Repräsentanten’ auf Anwesendes, nicht auf Abwesendes, deutet.
16 Grass, Günter: Die Rättin, Darmstadt / Neuwied 1986; Wolf, Christa: Störfall. Nachrichten eines Tages, Berlin / Weimar 1987; Kunert, Günter: Der deutsche Wald gibt seine letzte Vorstellung, in: Staatsmorast. 21 Autoren zur Umwelt, hrsg. v. Annegret Herzberg, Lübeck 1991, S. 9-17 (geschrieben 1988)
17 “‘Shell steht in der öffentlichkeit (sic!) da wie ein verurteilter Straftäter auf Bewährung’, so der Dresdner Publizistikprofessor Wolfgang Donsbach, der 1997 ein Buch über Shell in den Medien veröffentlicht hat. Als im November 1995 der nigerianische Regimekritiker Ken Saro-Wiwa zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde, und Shell trotz seines großen Einflusses in Nigeria die Hinrichtung nicht verhinderte, sackte die Zustimmung noch einmal ab.” (Tenhagen, Hermann-Josef: Shell aus der Versenkung aufgetaucht, in: taz, 30.1.1998, S. 3)
19 Krüger, Christian: Das Produkt Greenpeace, in: Das Greenpeace Buch, hrsg. v. Greenpeace, München 1996 (Sonderausgabe Hamburg 1996), S. 201-209, S. 201
22 Münkler, Herfried; Storch, Wolfgang: Siegfrieden. Politik mit einem deutschen Mythos, Berlin 1988, S. 52f.
23 Fiktionale Erinnerungsfiguren unterscheiden sich von historischen oder mythischen dadurch, daß Gruppenzusammenhalt selten durch explizite Bezugnahme auf kreierte Erinnerungsfiguren gegeben ist. Bei historischen Bezügen fungieren bestimmte Ereignisse gleichsam als Gründungsmythen: oft hört man in grün-linken Kreisen Sätze wie “Ich bin damals in Brokdorf dabeigewesen!” – selbst über 18 Jahre später hat die Anti-AKW-Demo vom 28.2.1981 anscheinend nichts von ihrer die Ökologiebewegung fundierenden Kraft verloren. Im Falle von Pippi Langstrumpf scheint es mir jedoch evident, daß mindestens eine Generation junger Frauen mit diesem Bild des starken und unabhängigen Mädchens sozialisiert wurde.
24 Vgl. Spitzer, Manfred: Geist im Netz. Modelle für Lernen, Denken und Handeln, Darmstadt 1996, S. 20
25 Roth unterscheidet ‘elektrische Synapsen’, bei denen “sehr enge Zellkontakte (gap junktions)” die direkte Übertragung der elektrischen Erregung von einer Zelle zur anderen ermöglichen, von ‘chemischen Synapsen’, bei denen chemische Botenstoffe, die Neurotransmitter, das Signal vermitteln. (Roth, Gerhard: Das Gehirn des Menschen, in: Kopf-Arbeit. Gehirnfunktionen und kognitive Leistungen, hrsg. von dems. und Wolfgang Prinz, S. 119-180, S. 120)
26 Palm, Günther: Assoziatives Gedächtnis und Gehirntheorie, in: Gehirn und Kognition, mit einer Einführung von Wolf Singer, Heidelberg 1990, S. 164-173, S. 164
27 Alkon, Daniel L.: Gedächtnisspuren in Nervensystemen und künstliche neuronale Netze, in: Gehirn und Kognition, a.a.O., S. 84-93
28 Vgl.: Palm, Assoziatives Gedächtnis, a.a.O., S. 168, vgl. auch Wennekers, Thomas: Synchronisation und Assoziation in Neuronalen Netzen, Aachen 1999, S. 17
30 Goschke, Thomas: Lernen und Gedächtnis. Mentale Prozesse und Gehirnstrukturen, in: Kopf-Arbeit, a.a.O., S. 359-410, S. 379
31 Vgl. Mishkin, Mortimer und Appenzeller, Timothy: Die Anatomie des Gedächtnisses, in: Gehirn und Kognition, a.a.O., S. 94-104, S. 101
34 Weigel, Sigrid: Bilder des kulturellen Gedächtnisses. Beiträge zur Gegenwartsliteratur, Dülmen 1994, S. 9
40 Goodbody, Axel: ‘Es stirbt das Land an seinen Zwecken’. Writers, the environment and the green movement in the GDR, in: German Life and letters 47:3, July 1994, 325-336, S. 326
42 Paßwesen in beiderlei Hinsicht: als Identitätsnachweis (Ausweis) einerseits und qua Zusammenfügen des Zusammenpassenden und Zusammengehörenden andererseits.