Schluß
What have they done to the earth?
What have they done to our fair sister?
Ravaged and plundered and ripped her and bit her,
Stuck her with knives in the side of the dawn,
And tied her with fences and dragged her down.
(Jim Morrison)
Der Blick auf den ökologischen Diskurs in Deutschland läßt diesen – in Anlehnung an Whiteheads Diktum, die gesamte abendländische Philosophie bestehe nur aus Fußnoten zu Platon – als Fußnoten zu Brechts An die Nachgeborenen erscheinen, was sich insbesondere anhand der diversen Gespräche über Bäume bis hin zum Waldsterben in Ost wie West markieren läßt.
Die literarische Ikonographie als Untersuchungsmethode von Texten und Kontexten bietet die Möglichkeit, Texte anhand der in ihnen enthaltenen Erinnerungsfiguren in ihrer jeweiligen Aktualisierung aufzurollen und – über die reine Bildlichkeit hinaus – entlang der gemeinsam bewohnten Geschichten einer jeweiligen Erinnerungsgemeinschaft – oder gegen diese – zu lesen.
Die der literarischen Ikonographie verpflichteten und von der Thematisierung des Erinnerns ausgehenden Textanalysen konnten herausstellen, daß auch die Erinnerungsfiguren des kulturellen Gedächtnisses innerfiktional von der ökologischen Krise nicht unbeschädigt bleiben. War vor Tschernobyl der Rückgriff auf selbige noch unproblematisch (Moos), läßt sich nach dem Reaktorunglück eine Oszillation der unbeschädigten und der semantisch ‘vergifteten’ Verweisungszusammenhänge (Störfall) bis hin zur zerstörerischen Rückwirkung der ‘Bilder der Zerstörung’ auf die menschliche Psyche (Klint) beobachten.
Neben dieser sukzessiven Beschädigung der Erinnerungsfiguren durch die ökologische Krise thematisieren die Texte Erinnern und Gedächtnis auf je eigene Weise: Während man Moos als Darstellung der Mechanismen des Erinnerns bestimmen kann, steht im Störfall der Wunsch im Vordergrund, so schreiben zu können, wie unser Gehirn arbeitet. Dies kristallisiert sich als die Suche nach einer Möglichkeit heraus, die in der DDR besonders hinsichtlich der Thematisierung von Umweltproblemen herrschende Zensur zu kritisieren und zu umgehen sowie das die zivile Nutzung der Kernenergie betreffende Tabu zu brechen. Der Roman Klint (‘abruptes Ende’) kann dagegen als Topographie einer der Umweltzerstörung entsprechenden seelischen Zerstörung in Form einer pathologischen Schizophrenie des Protagonisten gelesen werden.
Die vorliegende Arbeit versteht sich als Grundstein einer ökologisch orientierten Germanistik, als Fundament für einen Ecocriticism der deutschsprachigen Literatur. In einem Blick auf die Umweltgeschichte im Spiegel der Umweltliteratur wird erstmalig das ‘Bild’repertoire des ökologischen Diskurses in beiden deutschen Staaten präsentiert. Neben der Aufarbeitung der Geschichte der Umweltliteratur möchte die Untersuchung durch die Konzentration auf die Erinnerungsfiguren des kulturellen Gedächtnisses anhand der zu diesem Zweck entwickelten Methode der literarischen Ikonographie desweiteren einen Beitrag zur Einbeziehung des Gedächtnisdiskurses in die Literaturwissenschaft leisten.